Der Klimawandel im Leben – Wenn es im Bett heiß wird.

Christiane JurgelucksKürzlich las ich bei Facebook einen Aufruf des Universitätsklinikums in Hamburg: Es wurden Frauen in den Wechseljahren gesucht, die Interesse hätten, an einer PLACEBO-Studie teilzunehmen, also bereit wären, ein Medikament ohne Wirkung gegen Wechseljahrsbeschwerden einzunehmen. Das fand ich – selbst in der Menopause – spannend. Irgendwie wollte sich mir der Sinn nicht erschließen. Also schrieb ich eine kurze Mail und einen Tag später meldete sich eine junge Interviewerin bei mir, die mir mitteilte, dass sie mir erst einige Fragen stellen müsse, um herauszufinden, ob ich zur Teilnahme zugelassen werden könne. So beantwortete ich einige Fragen am Telefon, unter anderem die nach der Häufigkeit von nächtlichen Hitzewallungen, wovon ich auch einige zu bieten hatte. Auf die Frage, wie ich diese beurteile, meinte ich, dass ich sie komplett überflüssig fände. Darauf die Interviewerin: Leider können Sie nicht zugelassen werden, Ihre Beschwerden sind nicht ausgeprägt genug!

Also – wenn ich das richtig deute, dann soll untersucht werden, ob ein Scheinmedikament gegen sehr heftige Wechseljahrsbeschwerden wirken kann! Häääh?? Höre ich da richtig. Alles psychisch?! Nicht wirklich ernstzunehmen. Ich fühlte mich leicht verarscht – entschuldigen Sie den Ausdruck. Nicht wegen mir, sondern wegen all derer Frauen, die wirklich massive Beschwerden haben und die mit dem Placebo, wenn es denn wirken sollte, in eine Ecke gerückt werden, in der sie nicht wirklich ernst genommen werden.

Aber darüber wollte ich jetzt eigentlich gar nicht schreiben. Ich möchte in diesem Beitrag ein paar Gedanken und Erfahrungen mit Ihnen teilen, die mich selbst aber auch meine Klientinnen und ihre Partner betreffen. Ich werde das wie üblich locker mischen, und da, wo es Sinn macht mit einer Quelle würzen, ohne den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Mir ist das Persönliche, Erlebte wichtiger.

Wenn ich an die ersten Erfahrungen mit den Wechseljahren denke, habe ich meine Mutter vor Augen, die sich nie etwas anmerken ließ, aber laut eigener Aussage auch niemals Hitzewallungen hatte. Sie kam mit 50 in die Menopause, zwei Jahre nach dem ihr Ehemann und mein Vater überraschend gestorben war. Manchmal hatte sie Herzrasen, aber ansonsten startete sie noch mal richtig durch, in dem sie versuchte, gemeinsam mit meinen Brüdern die Firma zu führen. In dieser Generation war und ist Arbeit das Allheilmittel. Depressionen? „Der arbeitet nicht genug“, so ein beliebter Spruch meiner Mutter.
Irgendwann verliebte sie sich wieder, und als sie sich in Vorbereitung auf ein Date Zahnpasta statt Shampoo in die Haare schmierte, da wusste ich: Es ändert sich nie. In der Liebe bleiben wir gleich. Wir sind aufgeregt und machen uns schön. Wir Töchter durften meine Mutter das einzige Mal in ihrem Leben schminken – bislang fand sie das völlig überflüssig. Ich machte also eine Erfahrung, die mir half, Wechseljahre nicht als Ende von Allem zu begreifen, sondern als eine Phase, mit der frau und man leben muss. Nicht mehr und auch nicht weniger. Genauso sah ich sie aber auch nicht als Chance – Sie kennen vielleicht Menschen, die jede Krise idealisieren. Wechseljahre gehören dazu, und von meiner Mutter lernte ich trotziges Entgegenstellen: „Ihr kriegt mich nicht.“ Meine Mutter lebt übrigens immer noch und mit knapp 91 führt sie gemeinsam mit einem meiner Brüder eine Baumschule. Den Trotz hat sie sich so gut erhalten, dass sie am Telefon wie ein junges Mädchen klingt. Ich hoffe sehr, dass ich sie noch eine Weile haben darf und ich bin sehr dankbar für ihr Vorbild für ein Frauenleben.

Die zweite Fremd-Erfahrung, die ich mit den Wechseljahren machte, war ein Vortrag mit der von mir sehr geschätzten Julia Onken, eine sehr bemerkenswerte Frau, die erst sehr spät Therapeutin wurde und zusammen mit ihrer Tochter ein Frauenzentrum am Bodensee gründete. Das Buch über ihre Wechseljahre heißt „Feuerzeichenfrau“ und liest sich wunderbar authentisch und positiv kämpferisch. Von ihr hörte ich den Satz: „Wenn Sie das erste Mal in Ihrem Leben das Telefon auf die Gabel (da sieht man, wie lange das her ist) schmeißen und laut „nein“ schreien, willkommen im Club. Ganz wahrscheinlich sind sie in den Wechseljahren!“ Das klang interessant, aber es betraf mich nicht, weil ich mit knapp 30 noch nicht mal ein Kind hatte.

Bei mir begann es schleichend. Ich war mit 38 Mutter geworden und die frühen 40ger waren mit kleinem Kind und wenig Unterstützung sehr anstrengend. Dazu der unfreiwillige Umzug vom Norden in den Süden mit einem isolierten Gefühl. Ich brauchte lange, um mich an meine Lebenssituation zu gewöhnen. Es gab Zeiten, in denen ich mich angekommen fühlte und andere, wo gar nichts in Ordnung schien. Mitte 40 hatte ich immer häufiger Kopfschmerzen, obwohl ich das gar nicht kannte. Der Besuch bei dem, bisher von mir sehr geschätzten Frauenarzt, war sehr ernüchternd und demütigend. Ich hatte ihn aufgesucht mit der Frage, ob meine hormonelle Lage für die fast täglichen Kopfschmerzen verantwortlich sein könnten. Er tat meine Beschwerden ab: „Dann haben sie halt mal Kopfschmerzen.“ Irgendwie erinnert mich das an die PLACEBOstudie…
Irgendwann waren die Kopfschmerzen verschwunden und ich war wieder die Alte. Dann plötzlich tauchten unerklärliche Blasenbeschwerden auf. Ich war überrascht, denn ich zählte bis dahin zu den glücklichen Frauen, die noch niemals eine Blasenentzündung gehabt hatten. Immer häufiger wachte ich nachts mit Blasenschmerzen auf, und da ich nach dem letzten Frauenarztbesuch beschlossen hatte, keinen Arzt mehr in Anspruch zu nehmen, fing ich an zu recherchieren. Leider gab es vor gut 12 Jahren auch viel schlechte und vor allem oberflächliche Literatur, so ähnlich wie die Literatur im Wochenbett: Wenn Sie sich nicht gut fühlen, ziehen Sie sich was Hübsches an oder kaufen Sie sich was Nettes, dann wird es besser. Auch das erinnert mich an PLACEBO. Ich fühle mich damit definitiv nicht ernst genommen und in eine hysterische Ecke gedrängt.
Also machte ich mich auf die Suche und fand meine Bibel in Christiane Nortrops Buch „die Weisheit der Wechseljahre“. Nortrop berichtete einerseits als Gynäkologin als auch als selbst Betroffene. Ich möchte Ihnen das Buch sehr empfehlen. Es erklärt Zusammenhänge sehr genau und befähigt die Leserin, Verantwortung für sich zu übernehmen. So las ich von meinen Beschwerden und fand auch eine mögliche Lösung wie vorher für die Kopfschmerzen auch. Die Kopfschmerzen behandelte ich mit einem Gel aus der Yamswurzel (Ausgleich des sinkenden Progesteronsspiegels als erste Phase der Wechseljahre) und die Blasenentzündung mit Estriolcreme, die ich vaginal anwendete. Estriol ist eine Vorstufe des Östrogens und wird vor allem in der Schwangerschaft gebildet. Es steht im Ruf, nicht krebserregend zu sein wie die anderen Östrogene. Da die Schleimhaut der Scheide von Östrogenrezeptoren übersäht ist, die auch rund um die Harnröhre liegen, wird deutlich, warum es in den Wechseljahren vermehrt zu Blasenproblemen kommen kann. (Übrigens sitzen die meisten Östrogenrezeptoren im Gehirn, was die Anfälligkeit für Gefühlsschwankungen erklärt.)
Außerdem lässt Estriol die Haare wunderbar sprießen, was dem weiblichen Selbstbewustsein sehr gut tut. Interessanterweise streiten viele Ärzte auch diesen Sachverhalt ab. Eine Ausnahme machte eine Frauenärztin aus Karlsruhe, die mir beipflichtete. „Estriol ist unser Geheimmittel bei Haarausfall. Ist zwar nicht Kassen zugelassen, aber funktioniert.“ Ich war so dankbar für diese Information, denn ich fühlte mich selten ernst genommen, sondern wie ein kleines hysterisches Kind behandelt, obwohl ich definitiv nicht zu hysterischen Verhalten neige. Eigentlich fühlte es sich wie Entmündigung an. Es ist zwar Dein Körper, aber wir wissen besser als Du, wie Du funktionierst oder was Dir fehlt. Also PLACEBO!

Die Estriolcreme nahm ich einige Jahre und konnte damit meine Blasenbeschwerden gut kontrollieren. Bei regelmäßiger Anwendung spürte ich mehr Fröhlichkeit, obwohl ich vorher nicht wahrgenommen hatte, dass ich etwas „herabgestimmt“ war wie es so schön im Fachjargon heißt. Was ich allerdings einige Jahre beobachtete, waren Stimmungsschwankungen in der zweiten Hälfte des Zyklus. Das nervte mich, PMS war bis dahin ein Fremdwort für mich und ich war dankbar, dass ich erst mit knapp 50 deren Bekanntschaft machte. Gott sei Dank verarbschiedeten sie sich auch wieder. Als ich mit 54 noch immer regelmäßig blutete, war ich schon ein bisschen stolz auf meinen Körper. Da ich glücklicherweise nie Menstruationsbeschwerden hatte, genoss ich das Gefühl von Weiblichkeit und den Stolz auf die unermütliche Arbeit der Eizellen in meinem Körper. Es schien mir wie ein Schatz. Von mir aus hätte das noch ein Weilchen weitergehen können, denn kurz vor meiner Menopause, die ich dann mit 55 hatte, setzten die Hitzewallungen ein, die ich tatsächlich überflüssig finde. Vor allem nachts, wenn ich mich an meinen Liebsten kuscheln möchte und ich das ungefähr 10 Sekunden aushalte, um mich danach nach Kühle schnappend wegdrehe. Im Sommer geht es noch schneller.

Aber – das ist das Gute – ich habe einen Liebsten, an den ich mich gerne kuschel. Und damit beginnt eine Erzählung, um die es mir eigentlich geht. Was kann diese Zeit des Wechsels in uns Frauen auslösen, wie kann sie unser emotionales und erotisches Beziehungsleben verändern und verunsichern, so dass sich manchmal Abgründe auftun, in die dann alle gemeinsam stürzen. Auch davon möchte ich persönlich erzählen.

Im Jahr vor meinem 50. Geburtstag erfüllte ich mir nach dem Studium der Paartherapie den Wunsch einer eigenen Praxis. Mein Sohn wurde zunehmend selbständig und gleichzeitig einfach „gut zu haben“, so dass ich mich mit gutem Gewissen dem Praxisaufbau widmen konnte. Ich war so froh, wieder etwas Eigenes, außerhalb der Familie liegendes zu haben, und ich genoss den Erfolg. Meine Arbeit wurde von Anfang an wertgeschätzt. Mein damaliger Mann (Sie hören schon) fand meine Arbeit zu mir passend, aber sie interessierte ihn nicht sehr. Er war mit seinen eigenen beruflichen Ambitionen beschäftigt. Irgendwann bemerkte ich, dass ich Paare in der Krise beriet, die viel intimer miteinander umgingen, als ich das aus meiner Ehe kannte. Ich verspürte eine unterschwellige Sehnsucht nach mehr Emotionalität und Verbundenheit, ohne, dass ich das formulieren konnte. In diese Zeit fiel auch eine weitere sexualtherapeutische Weiterbildung, die mir half, mein eigenes sexuelles Erleben zu intensivieren. Ich wähle diese Worte sorgsam und spreche nicht von einer Vertiefung. Irgendwann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich lernte Methoden kennen, die sexuelles Erleben verstärken, aber irgendwas in mir fühlte sich gar nicht mehr stimmig, sondern eher auf einem guten Funktionsniveau, aber ohne wirkliche Nähe und Intimität, und das fühlte sich an wie PORNO. Ich begriff, dass Lust und Erregung völlig unterschiedliche Qualitäten sind. Lust bezieht sich meiner Meinung nach immer auf ein „Du“, ist also eingebettet in eine Beziehung, selbst wenn diese nur ein paar Stunden dauert. Erregung ist ein physiologischer Prozess, der sich in meinem Körper abspielt und der nicht unbedingt ein „Du“ braucht.
Mit dieser für mich erschreckenden Erkenntnis ging ein Unwohlsein in meiner Ehe einher. Die Weiterbildung half mir sexuell besser zu „funktionieren“ denn je, aber die Nähe und Intimität wurden gefühlt immer weniger. Ich empfand eine große Diskrepanz zwischen der Qualität des sexuellen Erlebens bei gleichzeitigem Fehlen von intimer Bezogenheit. Und mit dieser Erkenntnis kam ich nicht gut klar, so gönnte ich mir einen weiteren Durchgang Weiterbildung nur für mich. Ich war auf der Suche nach meinen Gefühlen und Sehnsüchten vor allem seelischer Art, während andere sehr gut mit ihren Gefühlen verbunden waren, aber auf der Suche nach erregender Sexualität waren.

Rückblickend würde ich sagen, dass die Wechseljahre mich weicher gemacht haben, in dem Sinne, dass es mir nicht mehr so gut gelang, mich an Bedürfnisse anderer Menschen anzupassen. Ich kam in Berührung mit alten Verletzungen und Sehnsüchten, meiner gefühlten Einsamkeit in der Beziehung zu meinem ersten Mann. Ich spürte plötzlich wieder, dass ich eine verspielte und sehr zärtliche Frau bin, die Sex immer mochte, die sich aber viel, viel mehr nach wirklicher seelisch berührender Bezogenheit sehnt. Meine Ehe hielt dem nicht stand.

Wenn ich meine eigene Geschichte mit etwas Abstand betrachte, dann würde ich sagen, dass ich über Sexualtität immer intime Verbindung gesucht habe, aber mein „gutes, sexuelles Funktionieren“ von dieser Tatsache abgelenkt hat. Ich hatte tatsächlich gedacht, dass ich eine der Frauen sei, die Sex und Liebe trennen können, zumal ich in meiner Jugend auch sehr gern gejagt hatte, einfach aus Lust am Jagen und Vernaschen! Aber die Wechseljahre haben mein Bedürfnis nach Liebe, Resonanz und Fürsorge deutlich zu Tage gefördert, verbunden mit einer Klarheit, nicht mehr verzichten zu wollen.

Ich weiß, dass ich kein Maßstab bin. Viele Frauen erleben es genau anders herum. Kürzlich traf ich mich mit einer alten Freundin, die mir fast nebensächlich erzählte, dass sie sich seit ihrem 50. Geburtstag einmal im Quartal einen Callboy gönne. Sie – jetzt 60 – fände Sexualität wichtig und sie genieße, dass sie für diese Stunden ganz im Mittelpunkt stehe. Und bei näherem Hinschauen scheinen unsere Bedürfnisse gar nicht so unterschiedlich. Vielleicht möchten Frauen – und Männer narürlich auch – wirklich gemeint sein, vielleicht möchten wir wirklich berührt werden und ertragen das „Nebenbei“ nicht mehr. Das gilt für das Körperliche gleichermaßen wie für das Seelische.

Wechseljahre scheinen unerbittlich das aufzuzeigen, was ist. Da kann nichts mehr geschönt oder idealisiert werden. Dank fallendem Östrogenspiegel ist Frau weniger kompromissfähig, vielleicht auch klarer. Und sie nimmt wahr, wie es um ihre Beziehung bestellt ist. Nicht immer zieht sie Konsequenzen, aber viele Ehen scheitern in dieser Zeit. Mit ist übrigens wichtig zu erwähnen, dass ich nicht glaube, dass wir Frauen die Guten sind und die Männer die Schlechten.

Ich habe aktiv zum Scheitern meiner Ehe beigetragen, nicht weil ich das gewollt hätte, sondern weil ich in meinen eigenen Themen gefangen war und die Muster in unserer Ehe über die lange Zeit nicht mehr auflösbar schienen.
Und so bedeuteten die Wechseljahre für mich einen kompletten Wechsel meines Umfeldes. Ich habe meinen ersten Ehemann verloren, die Vision des gemeinsamen Altwerdens, die Möglichkeit jemals wieder eine ganz gewöhnliche Familie zu sein. Und das tut weh, auch jetzt noch.

Gleichzeitig gibt es eine neue Liebe in meinem Leben, einen Mann, mit dem ich mich ganz tief verbunden fühle. Meine Sehnsucht nach inniger Intimität hat sich erfüllt. Und ich bin dankbar, dass ich diese Liebe erleben darf.

Bleiben nur noch diese absolut überflüssigen Hitzewallungen! Aber ihr kriegt mich nicht! Da nehme ich doch lieber ein PLACEBO!

Ich würde mich – gerade, weil dieser Text sehr persönlich ist – über Resonanz freuen. Was haben Sie in den Wechseljahren erlebt. Was musste gehen und was durfte bleiben? Schreiben Sie mir gerne einen Kommentar.

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