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Über die Stille im Schlafzimmer – wie sich Erektionsprobleme auf eine Liebesbeziehung auswirken können

Nach langer Sommerpause und einem gemütliche Urlaub an der Nordsee melde ich mich mit einem neuen Beitrag bei Ihnen zurück. Heute soll es um Erektionsprobleme und deren mögliche Auswirkungen auf eine Liebesbeziehung gehen. Dieses Problem betrifft bei Leibe nicht nur ältere Männer und Paare, sondern oft auch schon 30 und 40-jährige Männer. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie schwierig es ist, damit in Paarbeziehungen umzugehen.

Kurz nach meinem Urlaub meldete sich ein Paar bei mir zum Erstgespräch an. Ich telefonierte mit dem Mann, der mich um einen Termin bat und mir das Problem kurz schilderte: „Wissen Sie, meine Frau und ich verstehen uns gut, wir haben keine ernsthaften Probleme, aber ich habe Probleme eine Erektion zu bekommen, und das würden wir gerne angehen.“ So empfing ich nach einigen Tagen die sehr sympatischen Partner zum Erstgespräch. Der Mann (Mitte 50) wiederholte, was er mir schon am Telefon gesagt hatte. Das Problem bestünde von Anfang an, die Erektion sei nicht zuverlässig. Er liebe seine Frau, sie mache ihn auch an, aber es gehe oft nicht.
Auf meine Frage, was er denn bislang unternommen habe, um mit diesem Problem umzugehen, antwortete er: „Nicht viel. Einmal war ich beim Urologen, der sagte, da sei nichts Organisches, und hat mir auch keine Behandlung vorgeschlagen. Das war es dann, und manchmal hat es ja auch geklappt. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben.“

Seine Frau (Ende 40) hörte unserem Gespräch bis dahin ruhig zu. Dann brach sie in Tränen aus. „Wissen Sie wie es ist, mit einem Mann zu leben, der Sex vermeidet? Was habe ich alles probiert, damit es klappt. Ich habe mich schön gemacht, habe mir sexy Wäsche gekauft, weil ich dachte, dass er darauf steht. Manchmal habe ich seinen Penis halbschlaff versucht irgentwie einzuführen, nur damit es geht. Ich habe mich so mies dabei gefühlt, es hat weh getan, und mit Erotik hat es gar nichts zu tun. Jetzt will ich nicht mehr. Ich will auch keine Zärtlichkeit mehr, ich kann es nicht mehr ertragen.“

Die Stimmung im Raum verändert sich schlagartig. Das Ende der Beziehung steht im Raum. Der Mann wippt unruhig mit den Füßen, fassungslos und still. Ich frage die Frau, ob sie noch bereit sei, am gemeinsamen Problem zu arbeiten. Sie verneint. Ich frage, wie sie sich ein Leben neben ihrem Mann vorstellt, den sie nicht mehr berühren will und von dem sie nicht mehr berührt werden möchte.

„Ich stelle mir kein Leben mehr vor.“

Der Mann sieht sie verzweifelt an, um Fassung ringend: „Warum bist Du dann heute mitgekommen? Wir wollten doch gemeinsam… Die Frau blickt ihn unter Tränen an: „Es macht keinen Sinn mehr. Ich kann neben Dir leben wie Bruder und Schwester, aber nicht als Frau“

„Ich bin neben Dir als Frau gestorben.“

„Nacht für Nacht habe ich Träume. Was glaubst Du denn, was ich mit meiner Sexualität machen soll. Ich verzehre mich nach einem Mann, und Du tust nichts, außer hoffen. Du hast das Problem die ganze Zeit vermieden, warst auf Dich fokussiert, und ich habe mich abgearbeitet. Ich kann nicht mehr. Schau mich an, was aus mir geworden ist, wie ich aussehe,  nachts kratze ich mich blutig.“

Ich hatte ihr still zugehört, und ich muss zugeben, obwohl ich das Paar überhaupt nicht kannte, ging mir das Gespräch ziemlich nah. Was für eine existenzielle Hoffnungslosigkeit, wieviel Leid und wieviel Schweigen lange bevor sich das Paar entschloss, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und welche Fehleinschätzung des Ehemannes, als er mir am Telefon sagte, dass sie eigentlich keine schwerwiegenden Paarprobleme hätten.

In den Tagen nach dem Gespräch, dachte ich immer wieder darüber nach, und begann zu recherchieren. Welche Hilfen gibt es für die Partnerinnen betroffener Männer, beziehungsweise welche Hilfen außer Paar- und Sexualtherapie gibt es für die betroffenen Paare.

Dabei stieß ich auf ein Buch von Andrea Rainer mit dem Titel:
Das stille Schlafzimmer – Frauen im Schatten der Erektilen Dysfunktion ihres Partners: Über die Verwirrung unserer Gefühle, das Chaos im Kopf unserer Männer, die Auswirkungen auf unsere Partnerschaft, das Durchbrechen der Schweigsamkeit und der Weg zur Lösung. Mit Berichten betroffener Frauen und Männer.

Die Autorin beschreibt im 1. Teil ihres Buches medizinische Aspekte der erektilen Dysfunktion, im 2. Teil folgen mögliche psychologische Komponenten, sehr wirklichkeitsnah und konkret dargestellt, so dass das Buch auch für den Laien empfehlenswert und verständlich ist. Im 3. Teil des Buches sind Berichte von Betroffenen dargestellt, in denen sich das ganze Leid offenbart, welches mit Vermeidung und Schweigen einhergeht. Zum Schluss ihres Buches erzählt sie ihre eigene betroffene Geschichte, und ich habe manchesmal gedacht: Wie hält sie diese Beziehungsqualität aus? Den Abschluss bilden einige Kontaktadressen, an die sich betroffene Paare wenden können.
Allen voran, aus meiner Sicht uneingeschränkt empfehlenswert der Auftritt der Impotenzselbsthilfe. Hier finden Sie sehr gut recherchierte Informationen über Ursachen, Hilfen und Beratung für Paare, die von erektiler Dysfunktion betroffen sind.

Ich habe mal wieder einiges gelernt, und nach einem mit Recherchen und Lesen verbrachten Wochende ging ich dann mit meiner neu angelegten Sensiblität für das Thema Impotenz zurück in die Praxis. Mir war klar geworden, dass die Scham der Männer darüber zu reden, oft so groß ist, dass sie diese Problematik auch in der Paartherapie möglicherweise nicht ansprechen, wenn sie nicht direkt gefragt werden. Ich beschloss daher offensiver mit dieser Fragestellung umzugehen, und siehe da: Ich wurde bei meinen, mir schon gut gut bekannten Paaren fündig. Meine Fragen, mein Interesse  und die so erlebte Offenheit wurden dankbar aufgenommen, und wir konnten in der Therapie ein Stück vorankommen. Einmal habe ich laut gesagt: „Das hätte mir auch schon früher einfallen können.“

Und auf diese Weise hat das Paar, für das ich leider nichts mehr tun konnte, anderen geholfen, indem es mich mit seiner Geschichte berührte, und ich mich auf die Suche machte. Vielen Dank dafür, auch wenn Sie es wahrscheinlich nicht erfahren werden.

 

1 Antwort
  1. Schnupsipulami
    Schnupsipulami says:

    Traurige Geschichte, da half wohl wirklich nur noch GIN.

    Ich habe gelesen, dass sie eine neue Weiterbildung machen. Neugierig habe ich mich dort mal umgesehen…

    „Es ist nicht die Frage, ob ein Mann ein Erektionsproblem haben wird, es ist die Frage, wann es auftritt.“ (Peter Gehrig).

    Tja, da hat er recht. Ich habe da auch schon einiges erlebt und ich hatte bis jetzt immer Glück, nicht in einen Teufelskreis zu geraten.

    Spannende Publikation zum Thema zum herunterladen (sponsored by Pfizer, macht aber nix):

    http://www.ziss.ch/veroeffentlichungen/erektionsstoerungen_peter_gehrig.pdf

    P.S.: der in Ihrem Artikel eingefügte Link der „Impotenzselbsthilfe“ kriegt leider keinen hoch 😉

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