10 Kriterien, an denen Sie einen „guten“ Therapeuten erkennen können

Wer sich für eine Paartherapie, Eheberatung oder Sexualtherapie interessiert, ist häufig in Not und/oder unter Zeitdruck, weil die Liebesbeziehung auf dem Spiel steht. Doch wie finde ich einen guten Therapeuten oder eine gute Therapeutin, wenn ich allein nicht weiter komme? Nur wenige Menschen haben den Mut mit Bekannten, Freunden oder ihren Ärztinnen über belastende Paar-Probleme zu sprechen und um eine therapeutische Empfehlung zu bitten. So bleibt meist nichts anderes als zu googlen und zu hoffen, dass die erste Ergebnisseite informativ genug ist, damit eine verantwortbare Entscheidung getroffen werden kann.
Da ich von vielen Klienten um die Beurteilungs- und Entscheidungsschwierigkeiten weiß, möchte ich Ihnen mit dem folgenden Text einige Kriterien nennen, die Ihnen bei Ihrer Entscheidung helfen können.

Ein guter Therapeut…

… weiß: Menschen in Krisen oder Not sind keine Kunden!

Wenn wir Menschen in eine Krise geraten, befinden wir uns in der Regel nicht in einem emotional stabilen Zustand. Gerät die Liebe durch chronische Konflikte oder eine Außenbeziehung in Gefahr, sind wir oft nicht mehr fähig, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Wir wollen, dass das Leiden aufhört. In diesem Zustand sind wir emotional leicht beeinflussbar und möchten gerne (Werbe)versprechen glauben. Diese Not auszunutzen, ist ethisch nicht vertretbar. Aus diesem Grund besteht ein Werbeverbot für Psychotherapeuten, Ärzte und Heilpraktiker. Paartherapeuten sind davon nicht betroffen, da sie streng genommen keine Psychotherapeuten sind. Dennoch unterliegen sie dem gleichen ethischen Kodex wie andere therapeutisch tätige Kollegen. Dieser verbietet Werbung, die über Information hinausgeht.

… hat die Kunst seines Handwerkes gründlich gelernt!

Eigentlich sollte man meinen, dass jeder, der sich Paar- oder Sexualtherapeut nennt, eine solide Ausbildung mitbringt. Leider ist dies häufig nicht der Fall, da die Bezeichnung „Therapie“ oder „Therapeutin“ nicht geschützt ist. So kann ein Paartherapeut einen Wochenendkurs absolviert haben oder ein Studium der Paartherapie vorweisen. Desweiteren gibt es Ausbildungskurse, die ausschließlich theoretisch arbeiten und keinen Praxisnachweis erwarten. Für den Suchenden ein unüberschaubares Chaos. Interessenten bleibt nur die Nachfrage, ob und wieviel Erfahrung vorliegt und ob das Ausbildungsinstitut anerkannt ist. Ein guter Therapeut kann theoretisch erklären, wie er arbeitet (Handwerk) und wendet sein Wissen individuell im Prozess an (Kunst).

… übernimmt Verantwortung!

Weil Therapie etwas anderes ist als gewöhnliche Dienstleistung, muss ein Therapeut Verantwortung für den Therapie- oder Beratungsprozess übernehmen. Dazu gehört, dass er ein verlässliches Therapieangebot macht, welches auf einer initialen Einschätzung des Problems beruht. Zwar ist dieses Angebot nicht bindend für Klienten, aber eine begründete Empfehlung, an die sich der Therapeut auch halten sollte. In einer Krise bedarf es eines vertrauenswürdigen Rahmens, der verlässlich für alle Beteiligten ist.

… ist allparteilich bzw. bemüht sich immer wieder darum!

Früher war von Neutralität die Rede, was so viel bedeutete, dass der Therapeut keine eigene emotionale Reaktion auf das Paar zeigen sollte. Das hat sich als wenig wirksam sowie unrealistisch herausgestellt. Paare möchten einem Menschen begegnen, der authentisch und reflektiert reagiert und der sich bemüht, beide umfänglich zu verstehen. Das bedeutet Allparteilichkeit. Natürlich kann diese immer wieder in Gefahr geraten, da einige der besprochenen Themen auch den Therapeuten persönlich bewegen können und damit die Allparteilichkeit gefährden.

… kennt seine persönlichen Themen!

Dieser Punkt hängt unmittelbar mit dem letzten Absatz zusammen. Professionelle Ausbildungsinstitute verlangen von ihren Teilnehmerinnen, dass diese ihren eigenen Themen begegnen und diese gründlich bearbeiten. Dies kann sowohl in einer eigenen Therapie als auch in sogenannten Selbsterfahrungsstunden geschehen. Es sollten mindestens 100 Eigentherapie- oder Selbsterfahrungsstunden sein.

… kennt seine Grenzen!

Wenn es nicht gelingt, allen Themen vorbehaltlos zu begegnen oder wenn Therapie zu einem Thema nachgefragt wird, für das der Therapeut keine Befähigung hat, sollte er an eine kompetente Kollegin oder einen kompetenten Kollegen verweisen. Wenn der Klient sehr in Not ist und keine Empfehlung ausgesprochen werden kann, diesen auch bei der Suche unterstützen.

… macht keine unrealistischen Versprechungen!

Auch bei hoher Professionalität und Kreativität kann kein Therapeut Probleme über Nacht oder in einem Crashkurs lösen. Leider! Bei chronischen Problemen im Miteinander liegt oft ein längerer Weg vor den Ratsuchenden. Wenn es einfach wäre, würde ein Paar es allein schaffen. Kommunikationsregeln oder Ratschläge helfen meist nur Paaren, die (eigentlich) keine Hilfe brauchen.

… macht seine Arbeitsweise transparent!

Paartherapie ist kein Hexenwerk, aber ein sehr anspruchsvolles Kunsthandwerk. Damit Ratsuchende in der Therapie lernen und verstehen können, ist es hilfreich, wenn der Therapeut seine Arbeitsweise transparent macht. Klienten können auf diese Weise gleichermaßen kognitiv verstehen als auch emotional erleben. Auf längere Sicht hilft es ihnen, zuhause selbstbefähigt zu reagieren.

… macht seine Klienten nicht abhängig!

Die Klient-Therapeut-Beziehung kann in Krisensituationen eine Gratwanderung sein. Einerseits ist es für eine wirksame Therapiebeziehung notwendig, sich vertrauensvoll einzulassen und damit auch Bindungsbedürfnisse zu erfüllen. Andererseits soll Therapie helfen, die Probleme möglichst bald wieder eigenständig zu lösen und autonom zu handeln. Ein professioneller Therapeut wird darauf achten, dass Klienten nur im Notfall eng „gebunden“ werden und der Therapieprozess immer wieder aus der Metaperspektive auf seine Notwendigkeit hin beleuchtet wird.

… ist kritikfähig!

Vielleicht ist dieser Punkt der Wichtigste. Wenn Sie sich nicht verstanden fühlen, Sie Fragen zum Prozess haben oder den Therapieerfolg in Frage stellen, sollten Sie dieses ansprechen dürfen. Ein guter Therapeut wird souverän mit dieser Situation umgehen, denn er kennt seine Grenzen und eigenen Themen, er fühlt sich nicht allwissend und ist an einer therapeutischen Beziehung auf Augenhöhe und gegenseitiger Wertschätzung interessiert. Ein guter Therapeut wird sich Zeit nehmen, solange über eine Störung zu sprechen bis diese ausgeräumt ist.
Wenn ein Therapeut Prozessprobleme ausschließlich bei Ihnen lokalisiert und damit verbunden ein Hinweis erfolgt, zusätzlich zur laufenden Therapie noch aufeinander aufbauende Wochenendseminare zu buchen, dann sollten Sie genau und kritisch hinschauen.